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Prof. em. Dr. Georg Theunissen

Prof. Dr. Theunissen

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Funktionen

  • 25 Jahre Leiter des Arbeitsbereichs der Pädagogik und Sozialen Arbeit bei Menschen mit geistiger Behinderung und Pädagogik bei Autismus
  • Prodekan (2004-2006)
  • Dekan (2006-2010)

Vita

Georg Theunissen, geb. 1951 in Bergisch-Gladbach (NRW), verheiratet und Vater von vier Kindern, ist in Langenfeld/Rh. aufgewachsen, lebte viele Jahre im Rheinland und in Köln, wohnt seit 1990 in Freiburg/Breisgau.

Er hat in Köln Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Heil- und Sonderpädagogik mit den Fachrichtungen Verhaltensauffälligen- und Lernbehindertenpädagogik sowie Heilpädagogische Kunsterziehung studiert.

1979 hat er in Köln mit dem Thema „Curriculare und extracurriculare Arbeitsformen in der ästhetischen Erziehung bei verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen" promoviert.

Seit 1989 ist er Hochschullehrer. Bevor er für die Leitung des Arbeitsbereichs für Geistigbehindertenpädagogik in Halle berufen wurde, war er fünf Jahre Professor für Heilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule Freiburg.

In seinem fachlichen Selbstverständnis ist er insbesondere von seinen „Lehrern" Hans-Günther Richter (heilpädagogische Kunsterziehung und pädagogische Kunsttherapie), Paul Röhrig (Allgemeine Pädagogik und Erwachsenenbildung), Leo Kofler (Soziologie) sowie von der Studenten- und Emanzipationsbewegung um 1970 geprägt.

Angeregt durch seinen Zivildienst Anfang der 1970er Jahre, bei dem er auf einer „Hauptunruhe" und „Unruhestation" einer großen psychiatrischen Landesklinik eine skandalöse, menschenverachtende Praxis miterleben musste, war er von 1980 bis 1988 pädagogisch leitend tätig in großen Behinderteneinrichtungen, davon acht Jahre im Heilpädagogischen Heim Langenfeld, welches aus dem damaligen psychiatrischen Landeskrankenhaus Langenfeld als Behinderteneinrichtung herausgelöst und verselbstständigt wurde.

Seine Arbeitsschwerpunkte bezogen sich während dieser Zeit auf Strukturreformen großer Behinderteneinrichtungen, insbesondere auf die Enthospitalisierung von Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen (Autismus) sowie deren Integration in gesellschaftliche Bezugsfelder. Fachwissenschaftlich ging es ihm dabei um die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation eines behindertenpädagogisch geprägten Konzepts als Alternative zur damaligen gefängnisartigen Verwahrpsychiatrie sowie um die Schaffung alternativer Lebensformen zu totalen Institutionen wie psychiatrischen Anstalten, Pflege- oder Behindertenheimen. Hierbei trat er als engagierter Institutionskritiker und Reformer in Erscheinung, der im Vereine mit der sozialpsychiatrischen Bewegung und ihren Initiativgruppen den Konflikt mit der konservativen Sozial- und Gesundheitspolitik, Psychiatrie und Heilpädagogik nicht scheute.

Es gelang ihm zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und Mitstreitern eine tragfähige Konzeption einer Alltagsarbeit und speziellen Pädagogik zu entwickeln und erfolgreich zu implementieren, die bis heute als lebensweltbezogene Behindertenarbeit viel Zuspruch erfährt. Seine viel beachtete Schrift „Wege aus der Hospitalisierung" (2000; 1. Aufl. 1984) hat an dieser Stelle ihren Platz, die durch ein neues Standardwerk zeitgemäßer Heilpädagogik mit dem Titel „Lebensweltbezogene Behindertenarbeit und Sozialraumorientierung“ (2012) abgelöst wurde.

Bereits Ende der 1980er Jahre galt seine Aufmerksamkeit dem aus den USA stammenden Empowerment-Konzept, welches von ihm alsbald im Rahmen seiner Konzeption aufgegriffen, für die Heilpädagogik theoretisch aufbereitet und als Wegweiser einer modernen Behindertenarbeit ausgewiesen wurde. Das Empowerment-Konzept steht bis heute im Fokus seiner fachwissenschaftlichen Arbeit, die sich darüber hinaus seit Beginn der 1980er Jahre mit der Frage der Pädagogik bei Menschen mit Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Störungen befasst.

In dem Zusammenhang ging und geht es ihm um die Entwicklung und Erprobung pädagogisch-therapeutischer Konzepte als Alternative zu psychiatrischen oder psychotherapeutischen Ansätzen. Auch in dem Falle führten bereits seine frühen Studien zu einer tragfähigen Konzeption, deren Markenzeichen die so genannte Stärken-Perspektive ist. Theunissens Standardwerk der Geistigbehindertenpädagogik „Geistige Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten" (2016; 6. Aufl.) ist ein Beleg dafür. Diese Schrift fokussiert das an der Stärken-Perspektive anknüpfende Konzept der „Positiven Verhaltensunterstützung" (Positive Behavior Support), welches als ein evidenzbasiertes Interventionsmodell vor allem in den USA sowohl im schulischen Bereich als auch in der außerschulischen Behindertenarbeit immer mehr Zuspruch erfährt.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt beteiligt sich Theunissen aktiv an der Behinderten- und Gesundheitspolitik, zum Beispiel durch ehrenamtliche Mitarbeit, Vorstands- und Beratungstätigkeit in mehreren Organisationen, Fachverbänden oder Vereinen.

Sein grundsätzliches Interesse gilt dabei Fragen der Unterstützungssysteme aus der Sicht behinderter Personen sowie im Sinne der Menschenrechte. Das betrifft insbesondere eine Politik der gesellschaftlichen Nicht-Aussonderung, Antidiskriminierung und Partizipation von Menschen mit Behinderungen. Seine Bilanz des derzeitigen Entwicklungsstands der gesellschaftlichen Inklusion behinderter Menschen, vor allem im Hinblick auf ein häusliches Wohnen, fällt eher nüchtern aus. Daher gilt es für Theunissen, politisch bedeutsame Aktionen, die die Stimme Betroffener repräsentieren, fachlich und fachwissenschaftlich zu unterstützen.

Neben diesem Engagement begleitet Theunissen aber noch ein weiteres Interesse, das der Bedeutung des Ästhetischen gilt und zusammen mit Empowerment den fühlbaren Hintergrund seines Verständnisses einer Heilpädagogik bildet.

So ist es ihm nunmehr seit über 40 Jahren um eine Heilpädagogik als Ästhetische Erziehung zu, die zu facettenreichen Anregungen und Querverbindungen führt, sei es, dass Möglichkeiten einer pädagogischen Kunsttherapie und Kunstpädagogik in Bezug auf Menschen mit Lernschwierigkeiten und Personen aus dem Autismus-Spektrum erkundet werden oder dass eine Außenseiter-Kunst unter besonderer Berücksichtigung von Personen mit so genannten Savant-Fähigkeiten, intellektuellen und seelischen Behinderungen in den Blick des Forschers genommen wird. Diese Untersuchungen sind für Theunissen zugleich anregend für Fragen des Zusammenhangs zwischen Savant-Fähigkeiten und autistischem Verhalten, von denen aus eine Diskussion über einen an Stärken und Spezialinteressen orientierten Ansatz quasi als Gegenmodell zur bisher weit verbreiteten Pathologisierung von Personen aus dem Autismus-Spektrum befördert wird. Hierbei finden zugleich Stimmen und Sichtweisen betroffener Personen nachhaltig Beachtung.

Vor diesem Hintergrund haben wir es heute mit einem „neuen Denken“ in Bezug auf Autismus zu tun, mit einer funktionalen, verstehenden Sicht und einer Würdigung positiver Attribute – eine Empowerment-Perspektive, die nicht nur von einem Autism Rights Movement oder von prominenten Persönlichkeiten aus dem Autismus-Spektrum vertreten wird, sondern zusehends auch im Lager der Autismusforschung Zuspruch findet.

Mit diesem radikalen Perspektivenwechsel sollte freilich nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Autismus ist eine Stärke und Herausforderung zugleich. Aus pädagogischer Sicht dürfen vor allem Herausforderungen in Bezug auf Verhaltensprobleme und soziale Konflikte für ein Leben in Inklusion nicht ignoriert werden. Sich diesem Thema zu stellen, ist für Theunissen seit der erweiterten Professur im Hinblick auf eine „Pädagogik bei Autismus“ eine wichtige Aufgabe. Mit mehrmonatigen Forschungsaufenthalten in den USA (Kalifornien/Los Angeles), dessen Ergebnisse in Bezug auf "Umgang mit Autismus in den USA" veröffentlicht wurden, ist hierzu bereits ein wichtiger Schritt getan. Auch nach seiner Pensionierung wird sich Theunissen mit den Themen Autismus und herausforderndes Verhalten befassen.

Publikationen

Publikationen von Herrn Prof. Theunissen
Publikationsliste-November-2023.pdf (316,3 KB)  vom 29.11.2023

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