Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Entstehungsgeschichte und aktuelle Entwicklungen

Enstehungsgeschichte

Der Arbeitsbereich Pädagogik bei kognitiver Beeinträchtigung und Pädagogik im Autismus-Spektrum (im Folgenden mit wir oder uns bezeichnet) ist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philosophische Fakultät III Erziehungswissenschaften, angesiedelt. Der Lehrstuhl wurde im Jahr 1994 – damals noch unter der eingleisigen Bezeichnung Geistigbehindertenpädagogik – mit Professor Dr. Georg Theunissen besetzt. Im Juni 2012 wurde die Professur auf Antrag des Lehrstuhlinhabers in eine Doppeldenomination überführt. Sie stellte damit die bundesweit erste Professur für Pädagogik bei Autismus dar (Alleinstellungsmerkmal). Die Formulierung Geistigbehindertenpädagogik und Pädagogik bei Autismus wurde bewusst gewählt, um zwei separate Fachgebiete kenntlich zu machen: Auf keinen Fall sollte der Eindruck entstehen, eine Pädagogik bei Autismus sei eine Neben- oder gar Unterabteilung der Geistigbehindertenpädagogik.

Nach der Emeritierung von Georg Theunissen wurde der Lehrstuhl 2019 mit Professor Dr. Christian Lindmeier besetzt. Die Bezeichnung des Arbeitsbereiches wird mit der Neubesetzung der W3-Professur in Pädagogik bei kognitiver Beeinträchtigung und Pädagogik im Autismus-Spektrum mit Zustimmung des Fakultätsrates geändert (s.u.). Die Doppeldenomination für zwei Fachgebiete bleibt auch unter dem neuen Lehrstuhlinhaber bestehen. Prof. Dr. Lindmeier vertritt in Forschung und Lehre das Fachgebiet  Pädagogik bei kognitiver Beeinträchtigung in seiner ganze Breite sowie das Fachgebiet Pädagogik im Autismus-Spektrum mit dem Fokus auf Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe.

In der nachfolgenden Darstellung geht es darum, unsere Lehr- und Forschungsbereiche als Teilgebiete der Rehabilitationspädagogik vorzustellen. Rehabilitationspädagogik oder andere Zuweisungen mit dem Wortstamm Rehabilitation werden hier synonym zu anderen Fachbezeichnungen wie Behinderten-, Heil- oder Sonderpädagogik verwandt.

Lehre

Die Vorstellung unseres Lehrangebotes soll die thematische Bandbreite der Lehre in den von uns mitverantworteten Studiengängen aufzeigen und diese selbst kurz vorstellen.

Dabei handelt es sich lediglich um eine Darstellung der inhaltlichen Schwerpunkte, die unser Lehrbereich auszufüllen versucht; studienstrukturelle Fragen werden hingegen nur angedeutet. Gleichwohl kann in diesem Zusammenhang gesagt werden, dass die fachliche Ausbildung von Lehrkräften quantitativ den größeren Teil der Lehre einnimmt. Vorangestellt werden kann auch, dass es sich bei beiden Studiengängen jeweils um ein modularisiertes Hochschulstudium in Vollzeit an der Universität handelt. Im curricularen Profil unterscheiden sich die BA/MA-Studiengänge von anderen Hochschulen oder Fachhochschulen insbesondere durch den starken Wissenschafts- und Forschungsbezug. Hinsichtlich des Lehramtsstudienganges ist vor allem die Art des Abschlusses hervorzuheben: An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schließen alle Lehramtsstudiengänge mit einer Staatsexamensprüfung ab.

Studiengang Lehramt an Förderschulen

Die Universität Halle–Wittenberg bildet im Lehramtsstudiengang Lehramt an Förderschulen in fünf rehabilitationspädagogischen Fachrichtungen aus. Diese Fachrichtungen und auch die entsprechenden Bezeichnungen der Studiengänge sind am bildungspolitischen Konzept der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte orientiert. Die Studierenden des Lehramts wählen vor Studienbeginn eine Kombination aus zwei dieser Fachrichtungen aus. Unsere Fachrichtung wird derzeit zusammen mit Körperbehindertenpädagogik oder Verhaltensgestörtenpädagogik studiert. Dazu kommt das obligatorische Studium zweier Grundschulfächer oder je nach Wahl eines Sekundarschulfaches (u.a. Mathematik, Deutsch, Naturwissenschaften, katholische oder evangelische Religion, Kunst, Sport, Musik, Ethik).

Das Lehramtsstudium in unserem Arbeitsbereich beginnt mit der Vermittlung von Grundlagen und Überblickskenntnissen einer zeitgemäß aufgestellten Rehabilitationspädagogik unter Berücksichtigung internationaler Entwicklungen. Zu Grundlagen zählen wir ein Wissen, welches hinsichtlich des Phänomens Behinderung in seiner soziologischen, psychologischen, (sozial-)politischen, ethischen und vor allem pädagogischen Dimension erforderlich ist. Hier spielen rehabilitations- und sozialpädagogische Theorien und Konzepte wie vor allem Empowerment, Sozialraumorientierung, Partizipation und Inklusion. Überblickskenntnisse thematisieren die Geschichte und Entwicklung der Disziplin Rehabilitationspädagogik und sie gewähren Einblicke in rehabilitationspädagogische Handlungs- und Arbeitsfelder. Diese umfassende Einführung erstreckt sich über zwei Semester und besteht aus einer Vorlesung und dem dazugehörigen Begleitseminar.

Nach der Erarbeitung der Grundlagen stehen vor allem Fragen von Schule und Unterricht in Bezug auf Schüler*innen mit kognitiven Beeinträchtigungen und/oder im Autismus-Spektrum im Mittelpunkt der akademischen Lehre. Es werden didaktische Theorien, Methoden und Unterrichtsprinzipien behandelt, die auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Schüler*innenschaft abgestimmt sind. Darüber hinaus wird sich aber auch konkret Fragen des Schriftspracherwerbs und des Erlernens mathematischer Fähigkeiten bei Schüler*innen mit kognitiver Beeinträchtigung gewidmet. Im Rahmen der diagnostischen Ausbildung behandeln wir zudem Verfahren sowie Probleme der Diagnostik und diagnosegeleiteten Förderplanung mit besonderem Bezug zu den genannten Zielgruppen. Hiermit wird das Studiengebiet der Rehabilitationspsychologie im Hinblick auf die diagnostische Ausbildung im Rahmen des Lehramtsstudiums unterstützt.

Ferner sind an die Lehramtsausbildung verschiedene Praktika gebunden, von denen drei durch unseren Arbeitsbereich verantwortet werden: Zum einen sind dies die Schulpraktischen Übungen, die in einer Dauer von vierzehn Tagen in einer Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung absolviert und in einem Seminar reflektiert werden. Zum anderen handelt es sich um ein vierwöchiges, ebenfalls zusammenhängendes Schulpraktikum, das Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Schultypus bereithält (z. B. Förderschule, integrative Schule, Schule in freier Trägerschaft, konzeptgebundene Schule o. ä.). Hinzu kommt ein Praktikum in außerschulischen Arbeitsfeldern.

In den höheren Semestern werden nach den ersten praktischen Erfahrungen spezifische Probleme der Fachrichtung aufgegriffen bzw. einzelne Zielgruppen vertiefend behandelt. So wird ein Seminar zur Arbeit mit Menschen mit schweren Behinderungen angeboten und das Thema Autismus-Spektrum wird noch einmal mit dem Schwerpunkt methodisches und konzeptionelles Arbeiten in Schulen und Unterricht vertieft. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit Krisen, Verhaltensauffälligkeiten, und psychischen Störungen bei Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und im Autismus-Spektrum sowie eine Lehrveranstaltung, die über die Lebenswelt Schule hinausweist und Fragen des Erwachsenwerdens (berufliche Tätigkeit, Sexualität, Wohnen usw.) in den Blick nimmt.

Die Ausbildung für das Lehramt an Förderschule schließt mit einer Staatsprüfung und mit dem Erhalt des Ersten Staatsexamens ab. Im Rahmen dieser betreut unser Arbeitsbereich wissenschaftliche Hausarbeiten und nimmt Prüfungen in Form von Klausuren ab.

Bachelor Erziehungswissenschaften

Seit dem Ende des Diplomstudienganges Erziehungswissenschaften gibt es keinen eigenständigen Studienschwerpunkt Rehabilitationspädagogik in den Hauptfachstudiengängen mehr. Dieser war neben der Sozialpädagogik und der Erwachsenenbildung eine Möglichkeit das Diplomstudium inhaltlich zu spezialisieren. Innerhalb der BA-Studiengänge BA 180 (Ein-Fach-Bachelor mit 180 Leistungspunkten in den Erziehungswissenschaften) und BA 90 (Zwei-Fach-Bachelor mit 90 Leistungspunkten in den Erziehungswissenschaften) gibt es jedoch rehabilitationspädagogische Studienanteile. Im BA 180 wird ein Modul mit zehn Leistungspunkten in den ersten beiden Semestern studiert, welches rehabilitationspädagogische Fragen behandelt. Die Studierenden im BA 90 besuchen Teile dieses Moduls als Wahlpflichtfach (fünf Leistungspunkte) am Ende des Studiums (fünftes und sechste Semester).

Die rehabilitationspädagogischen Grundlagen, wie sie oben beim Lehramtsstudium ausgeführt worden sind, werden in den BA-Studiengängen über den Besuch von Vorlesungen des Arbeitsbereichs Allgemeine Inklusionspädagogik (zuvor: Allgemeine Rehabilitations- und Integrationspädagogik) erworben. Zudem haben die Studierenden die Möglichkeit, die Vorlesungen anderer sonderpädagogischer Fachrichtungen zu besuchen. In der Verantwortung unseres Arbeitsbereiches liegt das Seminar des genannten Modules, in dem die Inhalte der Vorlesungen noch einmal reflektiert und vor allem konkrete außerschulische, rehabilitationspädagogische Arbeitsfelder vorgestellt werden. Die Studierenden beider BA-Studiengänge besuchen das Seminar gemeinsam. Inhaltlich orientiert sich die Lehre dabei an zwei Perspektiven:

Dabei handelt es sich einmal um eine Perspektive, die sich auf den Lebenslauf (life-span) von Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und/oder Menschen im Autismus-Spektrum konzentriert. Diese Lebenslaufperspektive versucht die sozialisatorischen sowie die lebensweltlichen, häufig eng an Institutionen geknüpften Bedingungen und Erfahrungen beeinträchtigter einschließlich autistischer Menschen einzuholen und zu vermitteln. Was passiert z. B. im Elternhaus, im Umgang mit einem beeinträchtigten Kind oder welche Erfahrungen werden in der Schule gemacht? Wie werden Möglichkeiten des Wohnens oder des Arbeitens genutzt, eingeschränkt, verbessert, modifiziert etc.? Gleichermaßen werden in diesem Kontext unterschiedliche Entwicklungsphasen und ihre Probleme (Kindheit, Pubertät, Alter) sowie entsprechend Entwicklungsaufgaben, Fördermöglichkeiten oder -konzepte in den Blick genommen.

Eine zweite Perspektive fragt nach dem Anforderungsprofil professioneller rehabilitationspädagogischer Fachkräfte. Hier spielt die Debatte um Professionalisierung und Professionalisierbarkeit rehabilitationspädagogischer Berufe eine Rolle. Im Rahmen dieser Professionsperspektive geht es um Fragen, was Rehabilitationspädagog*innen auszeichnet und was sie von anderen helfenden pädagogischen Berufen unterscheidet, unter welchen Bedingungen professionelles Handeln in rehabilitationspädagogischen Berufen erfolgt oder erst möglich wird und welchen Schwierigkeiten, Widerständen oder Paradoxien die Professionellen in ihrer Arbeit mit beeinträchtigten einschließlich autistischen Menschen begegnen.

Unser Arbeitsbereich verantwortet zudem für alle BA-Studierenden die Prüfungen zum Abschluss des gesamten Moduls.

Master Erziehungswissenschaften

Nach dem Erwerb des Bachelorgrades haben die Studierenden des Hauptfachstudienganges Erziehungswissenschaften die Möglichkeit einen Masterstudiengang in diesem Fach anzuschließen (120 Leistungspunkte, 4 Semester Studiendauer). Innerhalb der dort angebotenen Module gibt es ebenfalls rehabilitationspädagogische Studienanteile. Unser Arbeitsbereich ist in den Masterstudiengang mit zwei Lehrveranstaltungen zu Organisationsformen und Modellen rehabilitationspädagogischen Handelns eingebunden. Das erste Seminar greift wissenschaftlich vertiefend die im BA-Studiengang angelegte Lebenslaufperspektive auf. Diese wird zum einen im Hinblick auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn (Biographieforschung) und zum anderen im Hinblick auf die konkret praktische Arbeit (Biographiearbeit) in den Blick genommen. Das zweite Seminar thematisiert Bildung und Teilhabe von erwachsenen und alten Menschen mit Behinderung.

Der Schwerpunkt Pädagogik im Autismus-Spektrum in der Lehre

Zum Ende der Vorstellung zentraler Lehrthemen möchten wir noch kurz auf die Bedeutung des Schwerpunktes Pädagogik im Autismus-Spektrum für die akademische Lehre eingehen. Die Entwicklung und fachliche Ausdifferenzierung dieses Schwerpunktes als einschlägiges Lehrthema aber auch bezogen auf unsere Forschungsanstrengungen (siehe unten) trägt dem Trend Rechnung, dass Autismus-Spektrum als Phänomen, was u. a. durch steigende Fallzahlen aber auch aufgrund rasant steigender Publikationsaktivitäten belegt wurde, in den letzten Jahren auf ein breites öffentliches und mittlerweile auch akademisches Interesse gestoßen ist. Gerade im Bereich Schule, aber auch in anderen institutionellen Zusammenhängen (z.B. Wohnen oder Familie) besteht nach unserer Auffassung ein Nachholbedarf in Sachen Pädagogik im Autismus-Spektrum und das insbesondere vor dem Hintergrund der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur inklusiven Bildung. Eben dieser Nachholbedarf scheint in den letzten Jahren von einem Teil der Lehrenden, aber auch von Studierenden erkannt worden zu sein, was auch die wachsende Zahl von Abschlussarbeiten, die sich dem Thema Autismus widmen, zeigt. Auf diese Nachfrage (interessanterweise auch von Studierenden der Hauptfachstudiengänge sowie Studierenden anderer Lehrämter) gilt es zu reagieren und entsprechende Lehrangebote zu unterbreiten.

Fachlicher Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Fundus an Erfahrungsberichten von autistischen Personen oder deren Eltern, dass rehabilitationspädagogische Fachkräfte oftmals unzureichend über das Autismus-Spektrum sowie über die Komplexität autistischer Verhaltensweisen und die damit verknüpften individuellen Erfordernisse für die Gestaltung von pädagogischer Arbeit oder Unterrichtung informiert sind. Bemängelt wird gleichermaßen, dass vor allem Lehrende in der Begegnung mit autistischen Kindern verunsichert reagieren und sich dem Anschein nach überfordert fühlen, wenn sie ohne Unterstützung durch Schulbegleitungen autistische Kinder und Jugendliche gemeinsam mit nicht-behinderten Schüler*innen unterrichten müssen. Um auf die sich daraus ergebenden Bedarfe in der Lehrer*innenbildung zu reagieren, etabliert unser Arbeitsbereich einen ergänzenden Zertifikatskurs (Z-PAS), der das Thema Autismus-Spektrum den Studierenden aller Lehrämter zugänglich macht. Wir gehen hier darauf ein.

Forschung

Hinsichtlich der Forschungsaktivitäten kann der Arbeitsbereich in den zurückliegenden Jahren auf eine Vielzahl von zumeist drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten zurückblicken. Als Träger der Projekte fungierten bislang häufig Ministerien des Landes Sachsen-Anhalts, aber auch Träger der Behindertenhilfe, Verbände der freien Wohlfahrtspflege oder die Aktion Mensch. Stichpunktartig seien hier folgende Forschungsprojekte der letzten Jahre erwähnt, die von uns bearbeitet wurden. Auf eine namentliche Nennung der Personen, die in den jeweiligen Forschungsprojekten aktiv waren, wird hier verzichtet. Wie an vielen anderen Lehrstühlen, wechseln auch bei uns die Mitarbeiter*innen, wovon die Lehrstuhlinhaber ausgenommen sind.

  • 1994 bis 1999 Enthospitalisierung (Forschungen zum Stand der, mit der ‚Wende‘ 1990 beginnenden Enthospitalisierung von Menschen mit geistiger Behinderung aus Psychiatrien und Altenheimen, finanziert vom Land Sachsen-Anhalt).
  • 1997 bis 1999 Wohnen geistig behinderter Menschen im Alter (Drittmittel-Projekt, finanziert vom Land Sachsen-Anhalt).
  • 2000 bis 2003 Aktivierung geistig behinderter Menschen durch sportliche Angebote (Drittmittelprojekt in Kooperation mit dem Institut für Sport, finanziert vom Land Sachsen-Anhalt).
  • Seit 2000 Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen bei Menschen mit geistiger Behinderung unter besonderer Berücksichtigung pädagogischer Handlungsmöglichkeiten (Drittmittelprojekte, bundesweite Lehrer*innenbefragung, finanziert von einem Träger der Behindertenhilfe).
  • Seit 1995 Außenseiter-Kunst und ästhetische Praxis (unter besonderer Berücksichtigung von Menschen mit Lernschwierigkeiten und Autismus).
  • 2005 bis 2007 Evaluation eines Hilfebedarfsbogens im Auftrag des Sozialministeriums Sachsen-Anhalt (Großes quantitatives Drittmittelprojekt)
  • 2008 bis 2010 Persönliches Budget (Drittmittelprojekt, finanziert über den Landesverband Sachsen-Anhalt des DRK und Aktion Mensch. Im Rahmen des Projektes wurde u. a zusammen mit Betroffenen eine Broschüre zum, Thema Persönliches Budget in leichter Sprache erstellt).
  • 2008 Evaluation eines erlebnispädagogischen Projekts (EU-finanziertes Drittmittelprojekt).
  • 2009 bis 2012 Neuer Personenkreis in Werkstätten für behinderte Menschen (bundesweite quantitative Erhebung und qualitative Studien, finanziert über neun Träger der Behindertenhilfe und die Aktion Mensch).
  • 2009 bis 2012 Medikamentenreduktion bei langzeit-hospitalisierten Menschen mit Behinderungen (qualitative Begleitforschung, finanziert über den Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen-Anhalt und der Aktion Mensch).
  • 2016 bis 2018 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung und sogenannten herausfordernden Verhaltensweisen in Einrichtungen der Behindertenhilfe in Baden-Württemberg - Das sehr große Projekt wurde mit Mitteln des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg finanziert. Es umfasste eine quantitative Einrichtungsbefragung, zwei umfangreiche qualitative Projektteile und eine breite internationale Literaturrecherche. Den Abschlussbericht finden Sie hier


Die Forschungsprojekte, die mit dem derzeitigen Lehrstuhlinhaber an den Arbeitsbereich gekommen sind, stellen wir hier vor.

Aktuelle Entwicklungen

Aktuell stehen in unserem Arbeitsbereich die Konsolidierung und der  weitere Ausbau des Forschungsschwerpunktes Autismus-Spektrum im  Mittelpunkt. Dazu soll einerseits an der Vernetzung der sich  deutschlandweit entwickelnden Forschungsaktivitäten zu diesem Thema  gearbeitet werden, andererseits werden aber auch spezifische  Einzelfragen empirisch untersucht.

Zur Umsetzung von Ersterem wird derzeit die Forschungs- und Vernetzungsstelle für Pädagogik im Autismus-Spektrum (FuV-PAS) aufgebaut. Sie dient einerseits der Koordination  wissenschaftlicher Aktivitäten – auch über die Martin-Luther-Universität  Halle-Wittenberg hinaus und andererseits dem Transfer  wissenschaftlicher Erkenntnisse in die pädagogische Praxis mittels  spezifischer Weiterbildungen und dem oben bereits angesprochenen  Zertifikatskurs. Detaillierte Informationen dazu finden Sie hier.

Hinsichtlich konkreter fachwissenschaftlicher Einzelfragen werden  derzeit verschiedene Projektanträge vorbereitet und wissenschaftliche  Untersuchungen konzipiert. So sollen beispielsweise die sich inzwischen  in allen Bundesländern etablierten Beratungs-Lehrkräfte zum Thema  Autismus-Spektrum näher untersucht werden.

Gründe für die Umbenennung der Fachgebiete

Folgende Gründe waren bei der Umbenennung der beiden Fachgebiete maßgeblich:

  • Die Bezeichnung Pädagogik bei geistiger Behinderung suggeriert,  dass es sich bei Behinderung um ein Merkmal einer Person handelt, und  nicht um ein Merkmal einer Handlungssituation (Lindmeier & Lindmeier  2012). Dies ist nicht mehr zeitgemäß, denn seit Inkrafttreten der 2.  Stufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) geht auch der Gesetzgeber davon  aus, dass es sich bei Behinderung um eine negative Wechselwirkung von  Beeinträchtigungen und Barrieren handelt (s. § 2 BTHG). Das  zugrundeliegende relationale Behinderungsverständnis spiegelt sich in  der Begriffstrias Beeinträchtigung, Behinderung und Barrieren und der  strikten begrifflichen Trennung von Beeinträchtigung und Behinderung  wider, die auch von Vertreter*innen der Disability Studies seit langem  eingefordert wird. Die Umbenennung in Pädagogik bei kognitiver Beeinträchtigung ist interdisziplinär und international anschlussfähig, weil  ‚intellectual disability’ meist mit kognitiver oder intellektueller  Beeinträchtigung übersetzt wird. Stärker als eine Umbenennung in  ‚Pädagogik bei Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung‘, trägt sie  anderseits der Perspektive auf die gesamte Lebensspanne und die  biographischen Übergänge Rechnung, da lediglich im schulischen Kontext  (Förderschwerpunkt ‚geistige Entwicklung‘) und in der Terminologie der  Bildungspolitik und -verwaltung ‚geistige Entwicklung’ gebräuchlich ist.
  • Die Umbenennung in Pädagogik im Autismus-Spektrum verfolgt  einerseits die Zielsetzung, interdisziplinär und international besser  anschlussfähig zu sein (s. den medizinisch -psychiatrischen  Spektrumsbegriff im DSM-V und in der ICD-11), andererseits sollte – auch  mit Blick auf die sog. ‚Betroffenen‘ und die Diskussion über  Neurodiversität – in der Pädagogik der medizinisch-psychiatrische  Störungsbegriff vermieden werden. Auch die Pädagogik im  Autismus-Spektrum ist auf die gesamte Lebensspanne und die  biographischen Übergänge ausgerichtet. Ebenso wie die Pädagogik bei  kognitiver Beeinträchtigung qualifiziert sie deshalb für das  pädagogisch-professionelle Handeln in schulischen und außerschulischen  Handlungsfeldern.

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